Archiv der Kategorie: Bahn

Abgefahren – Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen

»Alle reden vom Klima – Wir nicht.« Mit einer solchen Losung müsste in diesen Zeiten der drohenden Klimakatastrophe eigent­lich für die Schiene geworben werden. Doch so wie der wunderbare Bundesbahn-Werbespruch aus den 1960er Jahren »Alle reden vom Wetter – Wir nicht« als PR der heutigen Bahn als Lachnummer auf­gefasst werden würde, so wirkt auch ein abgewandelter Klimaretter­Bahn-Slogan unglaubwürdig. Ein wachsender Teil der Bevölkerung empfindet in Bezug auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bahn, Komfort und Service im Schienenverkehr, das Ansehen der Deut­sche Bahn AG und den Zustand der Infrastruktur wohl die Charak­terisierung »abgefahren« als weitaus zutreffender.

Obwohl wir die Eisenbahn als klima- und umweltfreundlichstes Verkehrsmittel dringender denn je brauchen, erleben wir seit Jahr­zehnten ihren Niedergang. Aus unserer Sicht spricht viel dafür, dass die Bahn in Deutschland sich weiter in ihrer existenziellen Krise fest­fährt. Dabei wird der Schienenverkehr in Deutschland heute von vier Seiten bedroht.

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Die Bahn braucht keine höheren Preise, sondern ein kundenfreundliches, transparentes Tarifsystem

Gerade schlagen die Wogen hoch, nachdem der „Bahnbeauftragte“ der Bundesregierung, der parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann, eine Senkung der Bahnpreise gefordert hat – und ihm sein Ministerium kurz darauf widersprach. Höhere Bahnpreise sind ganz sicher keine gute Idee, um neue Kundinnen und Kunden für die Bahn zu gewinnen. Tatsächlich ist aber nicht primär die Höhe der Bahnpreise das Problem, sondern das Nebeneinander von völlig verschiedenen, kaum nachvollziehbaren Systemen, die gemeinsam keinen Sinn machen – und dazu führen können, dass zwei Reisende im Zug nebeneinandersitzen, von denen der eine für die gleiche Strecke zehnmal (!) mehr gezahlt hat als der andere. Dabei sind die Normalpreise (seit neuestem „Flexpreise“) als einziger verlässlicher Tarif und als einzige Möglichkeit, flexibel mit der Bahn zu reisen, viel zu teuer und werden fast jährlich weiter erhöht, während die verschiedenen Sparpreise die Kundschaft letztlich zu Glücksspielern machen.

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Das Planungsbeschleunigungsgesetz

Die Klage ist alles andere als neu: Die Umsetzung von Infrastrukturprojekten in Deutschland dauert zu lange, und allzu oft explodieren dabei auch die Kosten. Das bremse den Fortschritt und führe zur Überalterung der Infrastruktur, so die Befürchtung vieler Politiker. Als Beispiel muss oft ausgerechnet Stuttgart 21 herhalten, das seit den frühen 1990er Jahren geplant wird und nach aktueller Planung nicht vor 2024 fertig wird, während die Proteste trotz des fortschreitenden Baus weitergehen. Dabei zeigt genau dieses Projekt zentrale Probleme vieler Infrastrukturplanungen auf: Projekte werden meist ohne Bürgerbeteiligung entwickelt, es stehen oft ganz andere Interessen dahinter als die offiziell vorgetragenen, und die Öffentlichkeit wird erst Jahre später, wenn die Planungen schon weit fortgeschritten sind, informiert. Wenn es dann – oft berechtigte – Einwände gibt, heißt es meist, jetzt sei es schon zu spät und außerdem seien all die Vorschläge für Alternativen nicht durchgeplant und daher nicht umsetzbar. Dennoch werden fortan die entstehenden Bauverzögerungen den kritischen Initiativen in die Schuhe geschoben, und auch der Naturschutz mache es den Vorhabenträgern immer schwieriger – selbst wenn wie in Stuttgart fehlerhafte und unzureichende Planungen die größten Teil der Verzögerungen ausmachen.

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Rastatt als Super-GAU und die Lehre für Stuttgart 21

Samstag, 12. August 2017, 11:03 Uhr: In der Nähe von Rastatt in Baden sackt der Schienenstrang der Rheintalbahn um bis zu einem halben Meter ab. Hintergrund ist der längst überfällig Ausbau dieser Bahnstrecke, auf der täglich hunderte von Personen- und Güterzügen verkehren und die die wichtigste Nord-Süd-Strecke durch Deutschland ist. In Rastatt soll dafür ein 4,3 km langer Bahntunnel gebaut werden, der zukünftig den Hochgeschwindigkeits-Personen- und den Güterverkehr unter der Stadt hindurchleiten soll und der eigentlich bis Juli 2018 im Rohbau fertiggestellt werden sollte. Gemäß der Vereinbarung mit der Schweiz, die unter anderem den Gotthard-Basistunnel als Teil der Alpentransversale rechtzeitig fertiggestellt hat, sollte eigentlich diese wichtige Zulaufstrecke in Deutschland schon seit Jahren durchgehend viergleisig ausgebaut sein. Bei den Bauarbeiten für einen Bahntunnel, der die beiden neuen Gleise aufnehmen soll, kam es dann aber zum Bahnbau-GAU: Die Tunneldecke brach ein; Geröllmassen und Wasser stürzten in den Bau. In letzter Minute konnten die Züge auf der absackenden Strecke gestoppt werden. Eine Eisenbahnkatastrophe mit Zugentgleisung war im Bereich des Möglichen, wenn eine Sperrung der Strecke nicht mehr rechtzeitig möglich gewesen wäre.

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Die GroKo und die Bahn: Meister der Ankündigungen

Die neue, nicht mehr ganz so große Koalition („GroKo“) aus CDU/CSU und SPD hat sich – wenn sie denn nicht noch am Mitgliederentscheid der SPD scheitert – einiges vorgenommen für die verbleibenden dreieinhalb Jahre der Legislatur. Der Verkehr nimmt in diesem Koalitionsvertrag einen sehr viel größeren Raum ein als bei den Vorgängern – und die Ziele klingen auch erst einmal sehr gut: „Wir wollen […] für alle Menschen in Deutschland eine moderne, saubere, barrierefreie und bezahlbare Mobilität organisieren und dabei die gesellschaftlichen Herausforderungen, wie den demografischen Wandel, die Urbanisierung, Anbindung ländlicher Räume und Globalisierung, meistern.“[1]

Bei so großen Zielen liegt die Umsetzung nicht gleich auf der Hand – und entsprechend phantasielos geht es denn auch weiter: Man liest wieder einmal vor allem von der Mobilität mit dem Auto, die Rezepte sind auch altbekannt: Im Fokus steht vor allem das Elektroauto. Außerdem werden – wieder einmal – Rekord-Investitionen in die Infrastruktur versprochen. „Investitionshochlauf“ ist ja schon seit geraumer Zeit das Lieblingswort fast aller Verkehrspolitiker. Dabei sollen wie immer alle Verkehrsträger etwas bekommen. Eine klare Strategie sähe anders aus. Wenn alle irgendwie etwas bekommen, wird wieder nur etwas mehr Verkehr generiert, aber es gibt keine Verschiebung zwischen den Verkehrsträgern. Von einer Verkehrs- oder gar Mobilitätswende mit weniger Auto- und Luftverkehr also keine Spur.

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Das letzte „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit“ geht in Betrieb: Die Neubaustrecke Erfurt – Nürnberg.

Am 10. Dezember geht es los: Nach insgesamt 26 Jahren Bauzeit geht das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8“ (VDE 8) in Betrieb – und verkürzt die Fahrzeit zwischen Berlin und München auf spektakuläre 4 Stunden statt der bisherigen gut 6 Stunden. Diese Fahrzeit gilt zwar nur für die 3 ICE-Sprinter pro Tag und Richtung, aber auch die sonstige etwa eine halbe Stunde längere Fahrzeit mit Zwischenhalten kann sich in Anbetracht der Entfernung von 600 Kilometern sehen lassen. Damit dürfte es ähnlich wie bei der Neubaustrecke Köln/Bonn – Frankfurt gelingen, einen großen Teil des Flugverkehrs auf die Bahn zu verlagern, was sehr zu begrüßen ist.

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Das langsame Sterben des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs in Europa

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist ein stetiger Niedergang des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs in Europa zu beobachten. Es gibt zwar einige erfolgreiche Prestigeprojekte wie den „Eurostar“ zwischen London und Paris, den „Thalys“ zwischen Amsterdam, Köln, Brüssel und Paris oder den Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen Paris und Frankfurt/Stuttgart. Abseits dieser Rennstrecken werden die klassischen EuroCity-Verbindungen und insbesondere die Nachtzüge aber zunehmend abgebaut. Auf vielen grenzüberschreitenden Verbindungen gibt es dadurch keine attraktiven Bahnverbindungen mehr, während der Flugverkehr beständig wächst. Insbesondere die Nachtzüge hätten hier ein erhebliches Potenzial, da sie auf längeren Strecken im Vergleich zum Flugzeug ein komfortableres Reisen mit morgendlicher Ankunft am Zielort ohne Hotelübernachtung ermöglichen.

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Masterplan Schienengüterverkehr – zu spät, zu wenig, zu vage

Der Schienengüterverkehr steckt schon seit Jahren in der Krise. Am deutlichsten sichtbar ist diese bei der Deutschen Bahn AG bzw. ihrem Tochterunternehmen DB Cargo. Andere Schienengüterverkehrsunternehmen sind zwar in bestimmten Bereichen durchaus erfolgreich und zeigen der DB AG, wie manches besser gehen kann. Dadurch haben sie inzwischen bereits einen Anteil von 40 Prozent am Schienengüterverkehr erlangt, Tendenz weiter steigend. Dennoch stagniert der Marktanteil der Schiene am Güterverkehr insgesamt seit der Bahnreform – und ist in den letzten Jahren sogar wieder rückläufig.

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Die Deutsche Bahn reformiert das Tarifsystem – schlimmer geht immer

Das Tarifsystem der DB AG wird schon seit Jahren immer wieder von verschiedenen Seiten kritisiert – und das völlig zu Recht. Das Zustandekommen der Preise ist absolut intransparent zwischen den Extremen eines enorm teuren Normalpreises (seit neuestem „Flexpreis“ genannt) und Sparpreisen, die für die gleiche Reise manchmal kaum mehr als ein Zehntel dieses Normalpreises betragen. Eine grundlegende Neukonzeptionierung der Bahn-Tarife ist deswegen eigentlich seit Jahren überfällig (siehe dazu auch: Unübersichtlich und intransparent – das Preissystem der Bahn benötigt einen Neustart). Mit den soeben angekündigten Veränderungen geht die DB AG allerdings leider in eine ganz andere Richtung: Sie macht das ohnehin schon sehr komplexe System nochmals komplizierter und kundenfeindlicher. Die Deutsche Bahn reformiert das Tarifsystem – schlimmer geht immer weiterlesen

Nachtzüge als Klimaschützer?

Immer wieder ist viel von Klimaschutz im Verkehr die Rede. Dabei sind der Flugverkehr und der Autoverkehr – zumindest rhetorisch – als Klimakiller im Visier. Und die Alternativen? Hier geht es abgesehen von Effizienzmaßnahmen vor allem um das Elektro­auto, das zwar in Hinblick auf das Klima kaum besser abschneidet als herkömmliche Autos, aber milliardenschwere Förderungen erhält (siehe dazu den Artikel: Elektroauto-Kaufprämie: Förderung für die Autoindustrie). Dabei hat die Bahn in Hinblick auf möglichst geringe Klimaauswirkungen die Nase weit vorn. Gegenüber dem Flugzeug ist ihr entscheidender Nachteil auf längeren Strecken jedoch die deutlich längere Reisezeit. Und genau hier liegt die Chance des Nachtzugs: Denn wenn man über Nacht reisen und morgens ausgeschlafen am Zielort ankommen kann, dann wird der vermeintliche Nachteil der längeren Reisezeit sogar zum Vorteil – denn die Bequemlichkeit, morgens entspannt anzukommen und dazu auch noch das Hotel einzusparen, kann das Flugzeug nicht bieten, von den Einschränkungen durch die Sicherheitschecks und damit verbundenen Wartezeiten ganz abgesehen.

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