Die Klage ist alles andere als neu: Die Umsetzung von Infrastrukturprojekten in Deutschland dauert zu lange, und allzu oft explodieren dabei auch die Kosten. Das bremse den Fortschritt und führe zur Überalterung der Infrastruktur, so die Befürchtung vieler Politiker. Als Beispiel muss oft ausgerechnet Stuttgart 21 herhalten, das seit den frühen 1990er Jahren geplant wird und nach aktueller Planung nicht vor 2024 fertig wird, während die Proteste trotz des fortschreitenden Baus weitergehen. Dabei zeigt genau dieses Projekt zentrale Probleme vieler Infrastrukturplanungen auf: Projekte werden meist ohne Bürgerbeteiligung entwickelt, es stehen oft ganz andere Interessen dahinter als die offiziell vorgetragenen, und die Öffentlichkeit wird erst Jahre später, wenn die Planungen schon weit fortgeschritten sind, informiert. Wenn es dann – oft berechtigte – Einwände gibt, heißt es meist, jetzt sei es schon zu spät und außerdem seien all die Vorschläge für Alternativen nicht durchgeplant und daher nicht umsetzbar. Dennoch werden fortan die entstehenden Bauverzögerungen den kritischen Initiativen in die Schuhe geschoben, und auch der Naturschutz mache es den Vorhabenträgern immer schwieriger – selbst wenn wie in Stuttgart fehlerhafte und unzureichende Planungen die größten Teil der Verzögerungen ausmachen.
Archiv der Kategorie: Mobilität, Verkehr und Energie
Die GroKo und die Bahn: Meister der Ankündigungen
Die neue, nicht mehr ganz so große Koalition („GroKo“) aus CDU/CSU und SPD hat sich – wenn sie denn nicht noch am Mitgliederentscheid der SPD scheitert – einiges vorgenommen für die verbleibenden dreieinhalb Jahre der Legislatur. Der Verkehr nimmt in diesem Koalitionsvertrag einen sehr viel größeren Raum ein als bei den Vorgängern – und die Ziele klingen auch erst einmal sehr gut: „Wir wollen […] für alle Menschen in Deutschland eine moderne, saubere, barrierefreie und bezahlbare Mobilität organisieren und dabei die gesellschaftlichen Herausforderungen, wie den demografischen Wandel, die Urbanisierung, Anbindung ländlicher Räume und Globalisierung, meistern.“[1]
Bei so großen Zielen liegt die Umsetzung nicht gleich auf der Hand – und entsprechend phantasielos geht es denn auch weiter: Man liest wieder einmal vor allem von der Mobilität mit dem Auto, die Rezepte sind auch altbekannt: Im Fokus steht vor allem das Elektroauto. Außerdem werden – wieder einmal – Rekord-Investitionen in die Infrastruktur versprochen. „Investitionshochlauf“ ist ja schon seit geraumer Zeit das Lieblingswort fast aller Verkehrspolitiker. Dabei sollen wie immer alle Verkehrsträger etwas bekommen. Eine klare Strategie sähe anders aus. Wenn alle irgendwie etwas bekommen, wird wieder nur etwas mehr Verkehr generiert, aber es gibt keine Verschiebung zwischen den Verkehrsträgern. Von einer Verkehrs- oder gar Mobilitätswende mit weniger Auto- und Luftverkehr also keine Spur.
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Das langsame Sterben des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs in Europa
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist ein stetiger Niedergang des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs in Europa zu beobachten. Es gibt zwar einige erfolgreiche Prestigeprojekte wie den „Eurostar“ zwischen London und Paris, den „Thalys“ zwischen Amsterdam, Köln, Brüssel und Paris oder den Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen Paris und Frankfurt/Stuttgart. Abseits dieser Rennstrecken werden die klassischen EuroCity-Verbindungen und insbesondere die Nachtzüge aber zunehmend abgebaut. Auf vielen grenzüberschreitenden Verbindungen gibt es dadurch keine attraktiven Bahnverbindungen mehr, während der Flugverkehr beständig wächst. Insbesondere die Nachtzüge hätten hier ein erhebliches Potenzial, da sie auf längeren Strecken im Vergleich zum Flugzeug ein komfortableres Reisen mit morgendlicher Ankunft am Zielort ohne Hotelübernachtung ermöglichen.
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Masterplan Schienengüterverkehr – zu spät, zu wenig, zu vage
Der Schienengüterverkehr steckt schon seit Jahren in der Krise. Am deutlichsten sichtbar ist diese bei der Deutschen Bahn AG bzw. ihrem Tochterunternehmen DB Cargo. Andere Schienengüterverkehrsunternehmen sind zwar in bestimmten Bereichen durchaus erfolgreich und zeigen der DB AG, wie manches besser gehen kann. Dadurch haben sie inzwischen bereits einen Anteil von 40 Prozent am Schienengüterverkehr erlangt, Tendenz weiter steigend. Dennoch stagniert der Marktanteil der Schiene am Güterverkehr insgesamt seit der Bahnreform – und ist in den letzten Jahren sogar wieder rückläufig.
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Ohne Auto leben
Das Auto ist allgegenwärtig. Es wurde zum Symbol für moderne Mobilität und erscheint unverzichtbar. Doch die Probleme, die es mit sich bringt, sind unübersehbar: Unfälle mit Toten und Verletzten, Lärm, Staus, Stress, Klimawandel, Umweltverschmutzung, enormer Flächenverbrauch für die benötigte Infrastruktur und immense Kosten für die Allgemeinheit. Viele Menschen wünschen sich daher weniger Autoverkehr, wiewohl der eigene Verzicht aus Bequemlichkeit oft schwer fällt.
Selbstfahrende Autos
„Es wird eine ähnliche Revolution wie von der Pferdekutsche zur Automobilproduktion“[1], prophezeit Bundeskanzlerin Merkel. „Selbstfahrende Autos“ sind gerade in aller Munde und werden als die nächste große Revolution unserer Mobilität gepriesen – nachdem teilautonome Fahrzeuge, die beispielsweise selbständig einparken oder auf der Autobahn die Spur halten, schon heute serienmäßig erhältlich sind. Bei der Entwicklung von vollautonomen Autos stehen neue Akteure wie Google, Apple oder Tesla schon in den Startlöchern. Doch dieses Mal will sich die deutsche Autoindustrie anders als beim Elektroauto (siehe Artikel zur Elektroauto-Kaufprämie) nicht wieder den Rang ablaufen lassen, sondern als Innovator und Impulsgeber der neuen Technologie dastehen. Um das zu ermöglichen, hat das Ministerium von Verkehrsminister Dobrindt – der zudem vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr auch noch mit etwas anderem als der gescheiterten Pkw-Maut in Verbindung gebracht werden will – gerade einen Entwurf für eine Veränderung des Straßenverkehrsgesetzes geschrieben, der das automatisierte Fahren auf deutschen Straßen ermöglichen soll. Dieser soll wohl noch im Herbst im Schnellverfahren durch den Bundestag gepeitscht werden. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob ein solches Hau-Ruck-Verfahren und ein Gesetzentwurf mit gerade einmal 14 Seiten der Komplexität des Themas angemessen ist und die vielen offenen Fragen wirklich befriedigend beantworten kann.
Nachtzüge als Klimaschützer?
Immer wieder ist viel von Klimaschutz im Verkehr die Rede. Dabei sind der Flugverkehr und der Autoverkehr – zumindest rhetorisch – als Klimakiller im Visier. Und die Alternativen? Hier geht es abgesehen von Effizienzmaßnahmen vor allem um das Elektroauto, das zwar in Hinblick auf das Klima kaum besser abschneidet als herkömmliche Autos, aber milliardenschwere Förderungen erhält (siehe dazu den Artikel: Elektroauto-Kaufprämie: Förderung für die Autoindustrie). Dabei hat die Bahn in Hinblick auf möglichst geringe Klimaauswirkungen die Nase weit vorn. Gegenüber dem Flugzeug ist ihr entscheidender Nachteil auf längeren Strecken jedoch die deutlich längere Reisezeit. Und genau hier liegt die Chance des Nachtzugs: Denn wenn man über Nacht reisen und morgens ausgeschlafen am Zielort ankommen kann, dann wird der vermeintliche Nachteil der längeren Reisezeit sogar zum Vorteil – denn die Bequemlichkeit, morgens entspannt anzukommen und dazu auch noch das Hotel einzusparen, kann das Flugzeug nicht bieten, von den Einschränkungen durch die Sicherheitschecks und damit verbundenen Wartezeiten ganz abgesehen.
Elektroauto-Kaufprämie: Förderung der Autoindustrie statt der nachhaltigen Mobilität
Es war einer der schwärzesten Momente für die Grünen: 2013 veröffentlichte BMW ein Video, in dem Joschka Fischer, langjähriger Quasi-Chef der Partei, Werbung für den i3 mit Elektroantrieb macht: Ein Traum sei für ihn wahrgeworden, das Auto sei ein „Statement“, das „auch noch Spaß macht“.[1] Aber auch jenseits solcher peinlichen Dokumente des politischen Verfalls setzt sich die Partei schon seit geraumer Zeit für die Förderung von Elektroautos ein, besonders für eine Kaufprämie, die Kundinnen und Kunden die vergleichsweise teuren Fahrzeuge schmackhaft machen soll.[2] Die Autolobby ist von dieser Idee natürlich ebenfalls begeistert.
Die Prämie wird nun neuerdings auch in der Regierungskoalition diskutiert. Bis zu 5000 Euro sind im Gespräch, um das Ziel von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen im Jahr 2020 vielleicht doch noch zu erreichen. Bislang sind noch nicht einmal 30.000 davon unterwegs – und die Zahlen der Neuzulassungen sprechen nicht dafür, dass sich daran in den nächsten Jahren viel ändern wird. Selbst wenn man Plug-In-Hybride, die noch einen zusätzlichen Verbrennungsmotor haben, großzügig mit hinzurechnet, kommt man noch nicht einmal auf 50.000 Autos. Für die viel beschworene „Elektromobilitätsstrategie“ sieht es also nicht gut aus, obwohl das 2015 erlassene Elektromobilitätsgesetz schon die Freigabe von Busspuren für E-Autos und andere fragwürdige Maßnahmen ermöglichte. Es scheint bislang vor allem Finanzminister Wolfgang Schäubles starke schwäbische Hand an der Staatskasse zu sein, die staatliches Geld für den Kauf von E-Autos verhindert hat. 2009 war die Autolobby sehr viel schneller erfolgreich, als sie die „Abwrackprämie“ als fragwürdige Lösung der Wirtschaftskrise durchsetzen konnte.
Ob eine Kaufprämie die Verkaufszahlen von E-Autos wirklich in die Höhe treiben würde, ist umstritten. Bei der Debatte um die Prämie gerät die eigentlich entscheidende Frage jedoch in den Hintergrund: Sind Elektroautos denn überhaupt sinnvoll und damit förderungswürdig? Mehrere Studien haben gezeigt, dass ihre Ökobilanz höchst zweifelhaft ist.[3]
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Welche Bedeutung sollten rote Ampeln und Stoppschilder für den Fuß- und Fahrradverkehr haben?
Seit einigen Monaten wird in den Medien immer wieder darüber diskutiert, welche Bedeutung rote Ampeln und Stoppschilder für Fahrradfahrer_innen und Fußgänger_innen zukünftig haben sollten. Eine Relativierung der Bedeutung würde darauf hinauslaufen, eine schon jetzt gängige Praxis zu legalisieren: Für den nichtmotorisierten Verkehr wäre es fortan legal, eine Kreuzung trotz roter Ampel dann zu überqueren, wenn kein Querverkehr kommt. Letztlich würde die Ampel für sie also als „Vorfahrt gewähren“-Schild fungieren. Und auch an Stoppschildern müssten Fahrradfahrer_innen nicht länger anhalten und erst einen Fuß auf den Boden setzen, bevor sie weiterfahren dürfen, sondern auch hier müssten sie das Stoppschild nur noch als „Vorfahrt gewähren“-Schild betrachten – und nur dann anhalten, wenn tatsächlich Querverkehr kommt.
Die Emotionen kochen bei diesen Debatten regelmäßig hoch: Die einen verweisen darauf, dass die Straßenverkehrsordnung (StVO) den Fahrradverkehr bislang stiefmütterlich behandele und dass diese im Sinne einer Verkehrswende daher endlich entsprechend verändert werden müsse. Die anderen befürchten eine Anarchie auf der Straße und eine Aushöhlung der Sicherheit im Straßenverkehr. Dementsprechend sind die Bußgelder für Fahrradfahrer_innen zum 1.4.2013 sogar noch erhöht worden: Fahren über eine rote Ampel kostet mindestens 100 Euro und einen Punkt in der Flensburger „Verkehrssünderkartei“[1]; das Nicht-Anhalten am Stoppschild ist mit 10 Euro dagegen vergleichsweise günstig[2].
Schrumpfung der Güterbahn – eine Notwendigkeit?
Der Güterverkehr der Deutschen Bahn AG, die DB Schenker Rail AG, ist in der Krise. Seit Jahren macht die Sparte keine größeren Gewinne. Die Umsätze stagnieren bei knapp 5 Milliarden Euro im Jahr, und nach dem Wirtschaftskrisen-Einbruch 2009 (189 Mio. Euro Verlust) gab es in den letzten Jahren zwar minimale Gewinne (siehe Grafik 1), aber 2015 fährt die DB-Güterbahn wohl nach allem, was zu hören ist, wieder in die Verlustzone. Nun hat Bahnchef Rüdiger Grube, dem sonst oft ein eher zögerliches Management vorgeworfen wird, entschlossen reagiert: Er will den Güterverkehr auf der Bahn sanieren, und zu diesem Zweck hat er die üblichen Experten von McKinsey eingeladen. Das Ergebnis ist dann auch das, was man von den McKinsey-Beratern erwartet: DB Schenker Rail soll durch Schrumpfung gesunden, und dabei sollen auch etwa 5000 Arbeitsplätze – immerhin rund ein Sechstel der momentanen Belegschaft – abgebaut werden.[1] Ist diese Entscheidung unvermeidlich oder gäbe es auch Alternativen?